Aktien und Stiftungen: Ein Blick in die Zukunft
Viele Stiftungen unternehmen noch zu wenige Anstrengungen, um sich aus der Niedrigzinsfalle befreien. Sachwerte, Immobilien und vor allem Aktien sollten als Anlageklasse nicht mehr nur Kür sein, fanden die Teilnehmer vieler interessanter Panels zum Thema Kapitalanlage auf dem Deutschen Stiftungstag in Mannheim.
Nach Zahlen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen gibt es in Deutschland 22.743 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts und alleine in 2018 gab es 554 Neugründungen. Doch die Mehrzahl der Stiftungsvermögen sind klein und den Stiftern fehlen häufig Expertise und Ressourcen bei der Kapitalanlage: So drücken die aktuellen Negativrenditen für zehnjährige Bundesanleihen nur aus, wohin die Reise für Stiftungen gehen muss: Weg von Anleihen, hin zu Aktien und Alternativen Investments. Unter dem Titel „Investieren statt sparen“ widmete sich eine Podiumsdiskussion mit Dieter Lehmann, Leiter Vermögensanlage der Volkswagenstiftung, Sigrun Kraim von der Stiftungsaufsichtsbehörde in Lüneburg, Kurt von Storch, Mitbegründer und Vorstand des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch, und Werner Hedrich, dem ehemaligen Deutschlandchef von Morningstar und Niederlassungsleiter von Globalance Invest, dem Thema Aktieninvestments.
Kurt von Storch stellte gleich zu Beginn seines Vortrags klar, dass er auf sehr lange Sicht nicht mit einer Zinswende rechnet: „Sie müssen sich darauf einstellen, dass das aktuelle Umfeld, so trübe es auch ist, uns lange begleiten wird und das liegt an der Verschuldungssituation“, sagte von Storch. Die Gründe dafür, dass Europa in der Nullzinsphase gelandet sei, sieht von Storch in einem abnehmenden Wachstum, einer anhaltenden Reformmüdigkeit und dem demografischen Wandel: „Das führt dazu, dass die Politik die Schulden erhöht, um das System bequem zu halten.“ Die Notenbanken, zumindest die EZB, seien heute weitgehend politisiert. „Für Sparer und für Stiftungen ist das ein Riesenproblem.“
Das Problem im Speziellen: Aktien werden als Anlageklasse in der Stiftungswelt vielerorts immer noch als zu riskant eingestuft, denn die Stiftungsgesetze sehen vor, dass das Stiftungsvermögen ungeschmälert zu erhalten ist. „Die Frage ist immer: über welchen Horizont?“, fragt von Storch. „Gilt das für fünf Jahre, gilt das für zehn Jahre? Es gibt keinen 20-Jahreszeitraum, wo man bei Aktien einen Verlust erlitten hat.“ Auch hätte sich das tradierte Verhältnis zwischen Aktien und Anleihen verändert: „Wenn Aktien früher runtergingen, gingen Bonds nach oben. Aber wenn Aktien heute runtergehen, gehen Bonds meistens auch runter. Und umgekehrt. Das erfordert ein Umdenken in der Kapitalanlage.“
Risikobegriff überdenken
Man müsste den Risikobegriff seitens der Anleger, aber auch seitens staatlicher Stellen neu denken, forderte Dieter Lehmann, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Vermögensanlage der Volkswagenstiftung sowie Leiter des Arbeitskreises Stiftungsvermögen im Bundesverband Deutscher Stiftungen: „Was stört eine Stiftung eine Wertschwankung, wo sie ja das Privileg hat, auf Ewigkeit ausgerichtet zu sein?“ Auf der anderen Seite gingen viele Stiftungen, die sich im vermeintlich sicheren Rentenhafen wähnten, das sichere Risiko ein, ihre Bonitätsprämissen immer weiter zu senken, um noch einen gewissen Zinssatz zu erzielen. „Sie negieren dabei völlig das Ausfallrisiko, das damit einhergeht und dieses Risiko ist aus meiner Sicht sehr viel schlagender für eine Stiftung. Denn wenn eine Anleihe ausfällt, dann ist das Geld weg.“ Und Kurt von Storch setzt pointiert hinzu: „Ist eine italienische Staatsanleihe mündelsicher?“ Wenn man zurückblicke auf die Krisen der vergangenen 20 Jahre: die New Economy-Blase, den elften September, die Finanz- und Eurokrise: „Alles war am Aktienmarkt in maximal sechs Jahren erledigt. Dann war das Ausgangsniveau wieder erreicht“, sagt Lehmann. „Was sind sechs Jahre für eine Einrichtung, die auf Ewigkeit errichtet ist? Da muss zwingend ein Umdenken einsetzen und wir sind alle gefordert, mitzuwirken, dass da der Gesetzgeber auch anfängt umzudenken.“
Den „Luxus der Langfristigkeit“ haben Kurt von Storch zufolge insbesondere zwei Gruppen von institutionellen Anlegern: Stiftungen und Pensionskassen. Sie könnten sich einen langfristigen Anlagehorizont leisten. „Das bedeutet Aktien – oder Private Equity. Und das Traurige ist, dass es genau diese beiden Gruppen sind, die dieses Potenzial überhaupt nicht ausnutzen. Pensionskassen und Stiftungen sind die beiden Gruppen, die mit Abstand den geringsten Aktienanteil haben und den geringsten Anteil an Private Equity“, erklärt von Storch.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Aktien | Niedrigzinsphase | Politik/Regulierung | Risikomanagement
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