Aktien in Zeiten goldener Löckchen – und wie Asset Owner damit umgehen
Das Jahr 2024 hat bislang viel Positives für Risiko-Assets parat gehalten. Alles in allem kommt das aktuelle Umfeld dem nahe, was gemeinhin als „Goldilocks“ bezeichnet wird. Deutlich wurde das in der Expertensession „Aktien in Zeiten goldener Löckchen: Die Auswahl entscheidet“ auf der Jahreskonferenz.
Zum Auftakt der unterhaltsamen Gesprächsrunde in Berlin erläuterte Dieter Schorr, dass ein Großteil der Aktienanlagen in den beiden CTAs der ZF Friedrichshafen AG in Blue Chips aus Developed Markets investiert ist. Knapp zwei Drittel der Aktienanlagen entfallen demnach auf Unternehmen dieser Sub-Asset-Klasse, der Rest auf kleinere und mittlere Unternehmen. Hier jedoch auf ausgewählte Länder, die die Friedrichshafener vor dem Hintergrund der Small-Mid-Caps genau angeschaut haben.
Ohne nähere Angaben zur Kapitalanlagestruktur zu machen, gab der Anlage- und Pensionsexperte preis, dass der Aktienblock rund ein Drittel der Gesamtallokation ausmacht. Schorr und sein Team wenden für das Management der Blue-Chip-Aktien einen Ansatz an, der als „passive enhanced“ bezeichnet werden kann. Dieser basiert auf quantitativen Methoden und zielt darauf ab, den Markt leicht zu übertreffen. Er bleibt dabei aber grundsätzlich mit einem niedrigen Tracking Error eng an der Benchmark orientiert. Im Gegensatz dazu hat das Team von ZF das Management der Small- und Mid-Cap-Aktien an extern betriebene, fundamental orientierte Manager ausgelagert. Die Wahl fiel auf regionale Spezialisten, wie Dieter Schorr in Berlin hervorhob, da die Annahme besteht, dass die Markteffizienz bei diesen kleineren Werten geringer ist. Die regionale Expertise der mandatierten Manager soll tiefgreifende Einblicke in die lokalen Märkte ermöglichen, um unterbewertete Aktien effektiver identifizieren und nutzen zu können.
Allerdings entwickeln sich Large Caps seit geraumer Zeit viel besser als Small Caps. In den vergangenen fünf Jahren beispielsweise gab es eine erhebliche Spreizung zwischen dem MSCI World Large Cap Index und dem MSCI World Small Cap. Der Renditeunterschied beträgt aktuell rund 40 Prozentpunkte. Wolfgang Fickus, Produktspezialist aus dem Hause Comgest, konstatierte, dass Small und Mid Caps im Vergleich zu Large Caps aktuell so günstig sind, wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Die Erfahrung zeige, dass in schwachen Jahren wie 2022 vor allem Small und Mid Caps abgegeben werden. „Sie leiden, denn sie sind nicht so liquide. Außerdem leiden sie stärker unter der Zinsschraube“, so Fickus. Mit Blick auf die Covid-Periode haben sie bei Comgest außerdem festgestellt, dass die hoch kapitalisierten Unternehmen fundamental die Gewinner waren. Zwar hatten viele Small und Mid Caps eine sehr starke Covid-Sonderkonjunktur, diese sei jedoch nicht immer nachhaltig gewesen. Bei den Small und Mid Caps gab es daher im vergangenen Jahr vermehrt Gewinnenttäuschungen. Die Large Caps auf der anderen Seite hätten geliefert, so Fickus.
In diesem Zusammenhang nahm Dr. Ulrich Kaffarnik in seinen Ausführungen auf dem Podium unter anderem die kräftige Kurserholung der vergangenen Monate bei Blue Chips unter die Lupe. „Wir haben keine breite Hausse“, analysierte er, „sondern eine sehr selektive. Der S&P 500 Equal Weighted ist year-to-date 0,9 Prozent im Plus.“ Weiterer Knackpunkt im Hinblick auf die verworrene Marktentwicklung: Der Optimismus unter den Profis sei aktuell auf dem höchsten Stand seit 2014, so das Mitglied des Vorstands der DJE Kapital AG. Das heißt, nach vorne seien die Risiken auf kürzere Sicht größer als die Chancen.
Alle denken langfristig, die Unterschiede liegen im Detail
Die drei Großanleger auf dem Panel betrachten Aktien als langfristige Ertragsquelle. Doch ihre Ansätze unterscheiden sich im Detail durchaus erheblich. Mit Blick auf seinen Namensvetter Dieter Lehmann, der ebenfalls Teil der Gesprächsrunde war, bedauerte es Dieter Schorr, dass er und sein kleines Team nicht so viele Assets haben wie die Volkswagen-Stiftung. Letztere steuert inzwischen bereits rund fünf Milliarden Euro. „Daher müssen wir uns ein bisschen konzentrieren“, räumte Schorr ein. Deutlich wird das an dem geringen Anteil von Aktiengesellschaften aus Deutschland von 1,1 Prozent.
Im vielbeachteten MSCI World Index, den mancher Investor als Benchmark für seine Aktienanlage betrachtet, beträgt der Deutschlandanteil ungefähr das Doppelte. „Wir haben abgewogen bei Small/Mid Caps zwischen Deutschland und der Schweiz. Und wir haben uns für die Schweiz entschieden“, erklärte Schorr. Die Entscheidung seines Teams zugunsten von Schweizer Small- und Mid-Cap-Unternehmen begründete er so: „Die Schweiz zeichnet sich durch eine ausgewiesene Innovationskraft aus. Die Wahl wird weiter durch den starken Schweizer Franken gerechtfertigt, der Unternehmen zu ständigen Effizienzsteigerungen antreibt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zudem schaffen das stabile politische Klima, ausgeprägte Eigentumsrechte und der Zugang zu qualifizierten Fachkräften ein attraktives Umfeld. Die globale Präsenz und Preissetzungsmacht exportorientierter Schweizer Marktführer sind ebenfalls entscheidend.“
Daran anknüpfend gab Dieter Lehmann seinen Kollegen auf dem Podium und den vielen Besuchern der Gesprächsrunde einen Einblick in sein Aktienportfolio. Die Volkswagen-Stiftung aus Hannover ist eine der großen Stiftungen in Europa. Und sie verfolgt – allen Marktwertschwankungen zum Trotz – einen Buy-and-hold-Ansatz. Viele institutionelle Investoren können sich das nicht leisten und bauen deshalb Wertsicherungskonzepte ein – um auf den nächsten Schwarzen Schwan vorbereitet zu sein. 47 Prozent des Gesamtvermögens der Stiftung sind Aktien. Hinzu kommt ein Anteil von knapp elf Prozent in Immobilien. Den Rest haben die Niedersachsen in verzinsten Wertpapieren untergebracht. „Dazu zählt auch der Liquiditätsanteil, den wir in jüngster Zeit wieder aufgebaut haben“, wie das Mitglied der Geschäftsleitung der Volkswagen-Stiftung hervorhob.
Infolge der Zinswende und der nun wieder nennenswerten Renditen auch am kurzen Ende der Zinskurve hat die Volkswagen-Stiftung drei bis vier Prozent in Termingeldern und kurzlaufenden Wertpapieren untergebracht. „Wir sind vorzugsweise ein passiver Investor“, sagte Lehmann während der Jahreskonferenz 2024. „Das gilt auch für die Aktien. Wir sind aber nicht in ETFs investiert, sondern direkt in den Aktienanlagen. ETFs sind uns zu teuer im Vergleich zur Direktanlage.“ Ab einer bestimmten Größenordnung zahle man für Spezialfonds, passiv gemanagt, weniger als für ETFs, so das langjährige Mitglied der Geschäftsleitung der Volkswagen-Stiftung. „Und bei der Direktanlage in Aktien haben wir als steuerbefreiter Anleger die Möglichkeit, Quellensteuer zurückzubekommen – im ETF haben wir das nicht.“
Bei der Aktienauswahl geht die Volkswagen-Stiftung nach geografischen Gesichtspunkten vor. Sie könnte die Auswahl auch anhand von Branchen treffen. „Wir suchen uns in der Welt einzelne Regionen und Benchmark-Indizes, die die politischen und wirtschaftlichen Spezifika möglichst gut abbilden. Anschließend kommt es zu einer Korrelationsanalyse.“ Das habe zwar Vor- und Nachteile, wie Lehmann einräumte. „Aber es gibt nach meiner Einschätzung keine andere Variante, um eine wirkliche Diversifikation zu errechnen. Und wenn sich herausstellt, dass das eine oder andere Portfolio inklusive der jeweiligen Währungen, die wir nicht absichern, einen Diversifikationseffekt bringt, dann wird das zu dem Gesamtportfolio hinzugefügt.“ Abgesehen von Südamerika, Afrika und Russland ist die Stiftung im Aktienbereich praktisch überall investiert.
Eine Versicherung mit ungewöhnlich hoher Aktienquote
Aktien spielen auch im Tagesgeschäft von Sven Schuster eine wichtige Rolle. In der Strategischen Asset-Allokation (SAA) der Postbeamtenkrankenkasse aus Stuttgart ist dafür eine Zielquote von 25 Prozent vorgesehen. „Für einen Versicherer mag das ein bisschen ungewöhnlich sein. Wir könnten auch bis 30 Prozent gehen“, so der Leiter Kapitalanlagen dieser für Neuzugänge geschlossenen Sozialeinrichtung der früheren Deutschen Bundespost. Schuster und sein Team verwalten Kapitalanlagen im Wert von etwa drei Milliarden Euro. Dabei befinden sie sich in einem Spannungsfeld zwischen einer langfristig ausgerichteten SAA mit einer Sichtweise von zehn bis 15 Jahren und einem definierten Risikobudget, das kurzfristig nicht überschritten werden darf.
Das ist typisch für viele institutionelle Investoren. „Aktien sind der Performancebringer in unserem Portfolio“, wie Schuster in der Gesprächsrunde verdeutlichte. „Diese Funktion haben Aktien für uns schon ziemlich lange. Und wir sind Stand heute ohne eine bewusste regionale Aufstellung unterwegs. Unser Ziel ist es, die Risikoprämie zu vereinnahmen, die ein ‚Weltaktienmarkt‘ mittelfristig erwarten lässt“, betonte Schuster. An seinen Ausführungen wurde deutlich, dass die Postbeamtenkrankenkasse als institutionelle Investorin nach einer nicht unnötig komplizierten Kapitalanlage strebt. „Das heißt, wir wollen in den großen, liquiden Märkten unterwegs sein. Dort wollen wir nicht unbedingt eine Überrendite erzielen, sondern mit dem Markt mitlaufen.“
Mit diesem Konzept wollen die Stuttgarter eine durchschnittliche Risikoprämie vereinnahmen. „Und daher gab es bei uns auch nie die Diskussion, ob wir regional besondere Schwerpunkte setzen wollen. Zwar diskutieren wir das im Moment. Aber grundsätzlich war das für uns nie der Ansatz.“ Ein breites Investment in einem gut analysierten Markt habe wenig Potenzial für dauerhafte Outperformance durch aktives Management. Für Schuster und sein Team gehe es darum, die Schwankungen der Kurse auszuhalten und die Risikoprämie im mehrjährigen Jahresdurchschnitt zu kassieren. „Das hat sehr gut funktioniert. Und ich würde es jederzeit wieder so machen“, betonte der Leiter Kapitalanlagen der grundsätzlich gering regulierten Postbeamtenkrankenkasse. Gleichwohl ist die Arbeit von Sven Schuster und seinem Team an eine zwingenden Nebenbedingung gekoppelt: Das ist die Einhaltung einer jährlichen Wertuntergrenze. Um diese nicht zu reißen, bedienen sich die Stuttgarter externer Expertise für das sogenannte Risiko-Overlay und spezieller CPPI-Modelle. Sobald diese in der Trendfolge ein bestimmtes Signal liefern, wird das Anlagerisiko der Postbeamtenkrankenkasse reduziert. „Wir haben eine Zielrendite, die sich aus den Verpflichtungen der Passivseite ergibt“, wie Schuster betonte. „Es ist das oberste Ziel, sie zu erfüllen. Dazu suchen wir uns eine passende Asset Allocation, mit der wir die Verpflichtungen bedienen können.“
Zahlungszusagen spielen auch in der Kapitalanlage der Volkswagen-Stiftung eine maßgebliche Rolle. Die Stiftung hat drei Aufgaben: Fördermittel und laufende Geschäftskosten erwirtschaften und den realen Kapitalerhalt sicherstellen. Das alles muss in der Regel aus ordentlichen Erträgen bedient werden. Den Kapitalerhalt bewerkstelligen die Hannoveraner über die langfristige Wertentwicklung ihrer Aktien und Immobilien – also anders als bei vielen Stiftungen üblich mit Anlagen ohne Endfälligkeit.
Zugleich machte Dieter Lehmann deutlich, dass er auch kurzfristige Resultate im Blick behält: „Ich schaue natürlich jedes Jahr auf das Einzeljahresergebnis. Aber eigentlich ist das für mich ohne großen Aussagewert für eine auf Ewigkeit errichtete Stiftung. Ich habe eine sehr langfristige Anlagestrategie. Das heißt, ich muss auch die Ergebnisse langfristig betrachten.“ Er sprach von Zehn-, 20-, 30-Jahreszyklen! „Wir haben festgestellt, dass es uns gelungen ist, über die Wertentwicklung die Kapitalerhaltung zu betreiben.“
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Aktien
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