Alternative Anlagen
9. Juli 2018

Im Quotenhoch: Alternatives

„Ich kann ‚Niedrigzins‘ nicht mehr hören – aber davor weglaufen kann ich auch nicht“, sagte Andreas Hilder auf der 21. Jahrestagung Portfoliomanagement von Uhlenbruch. Hilder fungiert mit dieser Aussage nicht nur als Geschäftsführer des Versorgungswerks der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, sondern mit hoher Sicherheit auch als Sprachrohr der meisten institutionellen Anleger inDeutschland. Um dem Ausdruck „Niedrigzins“ aber Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muss man ihm fairerweise attestieren, einen epochalen Wandel in der institutionellen Kapitalanlage angestoßen zu haben. Schließlich war der Niedrigzins ein hervorragender Dünger für das Wachsen und Gedeihen von alternativen Assets in den Portfolios von Versicherungen und Pensionskassen. Über Details ihrer Umschichtungen berichteten Investoren auf der Jahrestagung und auf der Alternative Investor Conference des BAI.
Ob mit der Abnahme der – auch nicht immer – sicheren Zinsträger und der Zunahme von alternativen Assets die Risiken gewachsen sind, ist Ansichtssache. Ohne alternative Anlagen wären die Risiken mit Sicherheit größer. „Ohne laufende Rendite bieten Zinsträger keine sichere Kassenposition mehr, funktionieren nicht mehr als Hedge-Komponente zu Aktien, und wenn es zu einem Zinsanstieg kommen würde, dann wären die Probleme noch größer. Zinstitel stellen also nur noch ein Risiko dar“, urteilt Dirk-Evert Poppinga von der in Wien ansässigen Flick Privatstiftung, die sich bewusst für mehr Aktien- und Credit-, aber weniger Durationsrisiken entschied.
Mit alternativen Anlagen, auch in einem größeren Umfang, ist das Sicherheitsgefühl dagegen deutlich größer. Gelassen teilte auf der diesjährigen Alternative Investor Conference des Bundesverband Alternative Investments, BAI, Dr. Christoph Schlegel, Lindes Head of Pension Investments, mit, dass diese auf eine Alternatives-Quote von 40 Prozent kommen und er sich mit dieser Strategischen Asset Allocation „sehr wohl“ fühle. Schlegel begründet dies damit, dass man die Strategische Asset Allocation auf Sicht von fünf Jahren fahre. Ein solch mittelfristiger Horizont sollte den Assets nach etwaigen Rückschlägen auch Raum für Wertaufholungen bieten. „In dieser Fünf-Jahres-Sicht rechnen wir Recoverys auch ein“, so Schlegel. Der Head of Pension Investments fügt hinzu: „Allein mit Fixed Income und Aktien würde ich mich weniger wohl fühlen. Alternative Anlagen bieten in jedem Szenario ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis als eine traditionelle Aktien-Anleihen-Mischung.“ Man achte allerdings darauf, dass der Leverage nicht zu groß ist und bleibt bei Private Debt im Senior Bereich.
Hälftig, also zu je 20 Prozent, entfallen die Alternatives bei Linde auf liquide und illiquide Assets. Für letztere liege die Zielquote höher. Anders als Private Debt wird Private Equity allerdings nichts zu dem geplanten Zuwachs beitragen. Schlegel: „Mir fehlt die Phantasie, warum sich Private Equity angesichts der hohen Gebühren weiter wie in den vergangenen zehn Jahren positiv für Investoren entwickeln kann, wenn gleichzeitig bei Public Equity magere Jahre erwartet werden.“
Linde hält 40 Prozent in Alternatives
Ebenfalls abstinent möchte Schlegel bei Rohstoffen bleiben. In Commodities sieht dagegen Michaela Attermeyer „Potential“. Wie die Leiterin Veranlagung der österreichischen VBV-Pensionskasse auf der BAI-Konferenz mitteilt, habe man Rohstoffe taktisch angehoben. Die unterjährige taktische Komponente spielt für den VBV eine nicht unwesentliche Rolle. „Wir können nicht auf fünf Jahre planen, weil wir jährlich bilanzieren müssen. Taktisch agieren wir anders, als es unserem Langfristhorizont entspricht.“ Die taktische Asset Allocation beschreibt die VBV-Pensionskasse als einen systematisch-diskretionären Prozess im Veranlagungsmanagement, der als Entscheidungsunterstützung sowohl fundamentale als auch charttechnische Modelle und Analysen einsetzt. Strategisch betrachtet, spielen Private Equity und Infrastruktur keine Rolle. Für letztere Asset-Klasse bestehen in Wien laut Michaela Attermeyer jedoch Pläne. Im abgelaufenen Geschäftsjahr performten die sieben Milliarden Euro an Assets under Management der sehr auf Nachhaltigkeit bedachten Pensionskasse im Durchschnitt aller Veranlagungs- und Risikogemeinschaften mit insgesamt 7,4 Prozent.
Dafür ist Private Equity für die beiden in der BAI-Diskussionsrunde vertretenen Versicherungen von Relevanz. „Gut gemanagtes Private Equity wird besser laufen als Equity long-only oder long-short“, ist Dr. Michael Leinwand, CIO der Zurich Gruppe Deutschland, überzeugt. Dr. Anton Buchhart, Hauptabteilungsleiter Kapitalanlagen der Barmenia Versicherungen, teilte mit, dass die Barmenia, wie auch in Erneuerbare Energien, schon länger in Beteiligungsfonds investiere. „Wichtig ist, gleichmäßig in die verschiedenen Vintage-Jahre und Segmente zu investieren.“ Dabei achtet die Barmenia auch auf die Nachhaltigkeit dieser Anlagen. „Renewables sehen wir als Impact Investment. Bei unseren Private-Equity-Managern achten wir darauf, dass diese die Principles for Responsible Investment, PRI, der United Nations unterschrieben haben, und wir schauen, wo dieser Unterschrift auch im Anlageprozess entsprochen wird“, so Buchhart. Mehr Appetit als auf Private Equity hat man aber bei der Zurich auf Private Debt. Sechs Prozent der 33 Milliarden Euro der deutschen Zurich-Tochter sind in Commercial Real Estate, Infrastructure Debt und Corporate Lending allokiert. Die Zielquote liegt für Michael Leinwand bei zehn Prozent. „Das Zinstief und der Rückzug der Banken führt zu alternativen Themenfeldern“, so Leinwand, der an dieser Stelle zudem den Fit zum Asset Liability Management betont.
Damit zurück zur 21. Jahrestagung, die ebenfalls in Frankfurt stattfand. Zumindest auf den Spuren der Altersvorsorgeeinrichtungen der Linde Group ist die über zwei Milliarden Euro schwere Altersvorsorgeeinrichtung der Apotheker in Westfalen-Lippe, die ebenfalls ihre Alternatives-Quote deutlich erhöht hat. Allerdings ist das Versorgungswerk regulatorisch eingeschränkter und sucht weniger stark nach Alternatives mit Fixed Income Touch. Vielmehr wurde von zinstragenden Anlagen hin zu Sachwerten wie Aktien, Immobilien, Infrastruktur und Private Equity umgeschichtet. Auslöser für die Umschichtung war die Notwendigkeit, die Sanierungsfallwahrscheinlichkeit wieder in Richtung null zu bekommen. Transparent wurde die Gefahr eines Sanierungsfalls durch eine vor drei Jahren durchgeführte ALM-Studie. Daraufhin wurde die Leistungsseite angepasst und die erwähnte offensivere Kapitalanlagestruktur gewählt.
Bei dieser Umschichtung ergaben sich für die Apotheker ein Nachteil und ein Vorteil. Als nachteilig erwies sich, dass sich zeitgleich auch bei anderen Versorgungswerken der Bedarf ergab, offensiver zu allokieren. „Das macht es schwierig“, so Geschäftsführer Hilder knapp mit Blick auf die knapper werdenden Assets. Diese Marktbedingungen führten beispielsweise bei Real Estate dazu, statt mit Spezialfonds mehr über Club Deals, auch inklusive Entwicklungsrisiken, zu investieren. Einen Vorteil des Versorgungswerks sieht Andreas Hilder in dessen Größe von etwas über zwei Milliarden Euro, die es erlauben, in Nischen zu investieren, wo die Preise noch etwas attraktiver sind. „Wir fühlen uns mit unserer Größe wohl“, so Hilder, der an dieser Stelle auf das Beteiligungsprogramm des Apotheker-Versorgungswerks verweist. „Die von uns allokierten Private-Equity-Dachfonds haben Volumina von 500 Millionen bis 1,5 Milliarden Euro. Andere Vehikel liegen dagegen bei zehn Milliarden Euro.“ Die Zinsproblematik besteht aber nach wie vor. Um das Durationsrisiko zu senken, wurde in Münster ein Teil der High Yields in Senior Loans umgeschichtet. Vor einem schnellen Zinsanstieg ist Hilder zumindest nicht für das langfristg denkende Versorgungswerk bang: „Ein schneller Zinsanstieg würde zwar bewertungstechnisch schmerzen – aber nur einmal. Bei dann niedrigeren Buchwerten wären die Renditen höher.“ Schlimmer seien die ökonomischen Komplikationen, die durch Insolvenzen bei Staaten und Unternehmen zu befürchten seien.
Absehbar bleibt, dass es nicht einfacher werden wird. Auch dann nicht, wenn man Strategien wählt, die einmal Hedgefonds, dann Absolute Return hießen, nun unter Liquid Alternatives firmieren und für die das Treasury von Vorwerk aus internen Vermarktungsgründe den Euphemismus „Active Skills“ erfunden hat. Rainer Weidt berichtet auf der Jahrestagung von einer steilen Lernkurve. Offenbar wurde zum Beispiel, dass Backtests und Live-Performance nicht unbedingt deckungsgleich ausfallen. Gelernt hat man bei Vorwerk auch, sich bei der Asset-Manager-Selektion mehr Zeit zu nehmen. „Wir sprechen nun mit dem Asset Manager länger. Wir wollen nicht nur erkennen, ob seine Systematik funktioniert, sondern auch ihn selbst besser kennenlernen, um ein Bauchgefühl entwickeln zu können“, so Weidt. „Uns geht es also um Ratio und Bauch.“
Regulatorik trifft alle
Wie das Unternehmen aus Wuppertal genießt auch die Flick Privatstiftung regulatorische Freiheiten. Poppinga nutzt diese, um nach Marktverwerfungen antizyklisch temporär die Aktienquote zu erhöhen. Zu neidisch sollten regulierte Anleger nicht sein. „Mein Regulator ist die Familie“, so Weidt. „Außerdem treffen uns die Regulierungsvorschriften der anderen Marktteilnehmer wie Mifid, Investmentsteuerreformgesetz oder Basel III zumindest indirekt. Wir haben gesehen, dass es viel Zeit braucht, um High Yields zu verkaufen. Die indirekten Auswirkungen der Regulierung sind nicht zu unterschätzen.“ Als wichtige Erkenntnis beider Diskussionsrunden lässt sich mitnehmen, dass Risiken nicht unbedingt auf Asset-Klassen basieren. Kritisch ist vielmehr, wie lange man diese auch in schlechten Phasen halten kann. Das gilt für Aktien wie für Alternatives. 
portfolio institutionell, Ausgabe 6/2018 
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