Core kehrt zurück
Die Immobilienkrise ließ auch bei Logistikimmobilien die Faktoren purzeln. Wer schon investiert war, konnte sich über hohe Mietsteigerungen freuen. Während die Mietentwicklung nun abebbt, kommt die Nachfrage nach Core-Objekten langsam zurück.
Im dritten Quartal habe sich der Industrie- und Logistikimmobilienmarkt stabil, aber ohne Schwung gezeigt, berichtete Savills am 7. Oktober, pünktlich zum Start der Immobilienmesse Expo Real. Der Immobiliendienstleister berichtete von geringer Aktivität, sowohl am Investmentmarkt als auch am Vermietungsmarkt. Auch wenn das dritte Quartal mit rund einer Milliarde Euro Investitionsvolumen das umsatzschwächste des laufenden Jahres ist, so landet man, auf das Gesamtjahr betrachtet, bei 3,9 Milliarden Euro, also etwa fünf Prozent über dem der Vorjahresperiode. Der Markt sei vergleichsweise „recht resilient“ und halte einen Anteil von 24 Prozent am gesamten gewerblichen Transaktionsvolumen.
Verglichen mit anderen Segmenten stehen Industrie- und Logistikimmobilien gut da. „Die Immobilienkrise hat bei uns nicht starke Auswirkungen gehabt wie in anderen Segmenten des Immobilienmarkts. Zwar sind die Multiplikatoren auch bei uns heruntergegangen, jedoch waren sie während der dem Zinsanstieg vorausgegangenen Pandemie auch besonders hoch. 2022 und 2023 haben wir zudem ein sehr starkes Mietwachstum gesehen, nun normalisiert sich das. Wir haben wieder mehr Leerstand, aber auf einem sehr komfortablen Niveau“, fasst Jan Philipp Daun, Geschäftsführer beim Logistikspezialisten Garbe Industrial Real Estate, die Lage zusammen. Wo Mietsteigerungen im Jahr 2022 noch bei elf Prozent lagen, erwartet er einen moderaten Anstieg von drei bis 3,5 Prozent für das Jahr 2024. Das Mietwachstum ist auch Daun zufolge sehr stark in sehr guten Lagen. So hätten in München vereinzelt bereits Mieten von 15 Euro pro Quadratmeter erzielt werden können. „In München gibt es kaum Flächen, deshalb können hier sehr hohe Mieten vereinnahmt werden. An Standorten wie im Ruhrgebiet schließt man regelmäßig Mietverträge über sieben Euro den Quadratmeter ab“, so Daun. Standorte wie Leipzig, Magdeburg (nach dem Rückzieher von Intel herrscht Katerstimmung) oder Bremen, wo es relativ viele Flächen gibt, viel gebaut und fertiggestellt wurde, seien deutlich schwieriger zu vermieten.
Dem Investmentmanager Jones Lang Lasalle (JLL) zufolge ist die Entwicklung in Bremen einer speziellen Entwicklung geschuldet: „Ursachen für die schwache Entwicklung in Bremen sind der Umschlagsrückgang in den dortigen Häfen, die anhaltend geringe Nachfrage aus der Konsumgüterbranche und die schwächelnde Automobilindustrie“, erläutert Sarina Schekahn, Head of Industrial & Logistics Agency JLL Germany. Bremen ist laut JLL der einzige deutsche Standort, wo die Spitzenmiete im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, und zwar um vier Prozent auf 8,25 Euro pro Quadratmeter. Die höchsten Spitzenmieten werden in München erzielt mit im Schnitt 10,70 Euro. Rasant gewachsen ist die Spitzenmiete in Berlin: Im Vergleich zum Vorquartal wuchs sie um 24 Prozent auf jetzt 10,50 Euro. Besonders innenstadtnahe Flächen sind gefragt.
Sebastian Betz, einer der Geschäftsführer des Logistikspezialisten LIP Invest, sieht Bremen jedoch keineswegs als Verlierer. „In Bremen haben wir die vergangenen Jahre eine sehr hohe Flächennachfrage erlebt, die nun ein Stück zurückgegangen ist. Eine leicht niedrigere Spitzenmiete kann hier sogar wieder zu einem Wettbewerbsvorteil führen und die Nachfrage ankurbeln“, so Betz. Der Standort Bremen sei nach wie vor „herausragend“ für die Logistik, „sodass zeitnah wieder von einer anziehenden Nachfrage auszugehen ist – zumal bereits an der Erschließung neuer Ansiedlungsflächen gearbeitet wird“, sagt Betz von LIP Invest. Der Asset Manager mit Fokus auf deutsche Logistikimmobilien im Core-Segment hält in seinen Fonds derzeit über 60 Objekte, die zu 100 Prozent vermietet seien. LIP Invest zufolge sind die Mietpreise für Neubauten zwischen 2018 und 2023 um ganze 40 Prozent gestiegen. Auch für 2024 rechnet der Logistikspezialist mit einem Mietwachstum von drei bis fünf Prozent. „Aufgrund der hohen Nachfrage und der geringen Flächenverfügbarkeit werden die Mieten auch in den nächsten Jahren steigen“, erwartet Betz.
Zur Mietentwicklung trägt sicher auch bei, dass Mietverträge in der Logistikbranche oftmals indexiert sind. „In der Regel sind 70 Prozent unserer Mietverträge indexiert und die Indexierung orientiert sich am Verbraucherpreisindex (VPI) in verschiedenen Spielarten. Meist werden 80 Prozent des VPIs auf die Mieter umgelegt“, berichtet Garbe-Geschäftsführer Jan Philipp Daun. Leerstände seien von zwei Prozent auf derzeit vier Prozent angestiegen. „96 Prozent ist immer noch eine sehr gute Auslastungsquote, wenn man bedenkt, dass es an einem normalen Mietmarkt durchaus sechs bis sieben Prozent Leerstand geben kann“, gibt Daun zu bedenken.
Nachvermietung dauert länger
Zudem nimmt Jan Philipp Daun von Garbe ein wieder zunehmendes Interesse an Core-Investments wahr. „In den vergangenen Wochen beobachteten wir ein sehr hohes Interesse an konservativem Kapital, das Core-Kapital steht in den Startlöchern.“ Damit meint Daun auch das wieder gestiegene Interesse institutioneller Investoren wie zum Beispiel der Versicherer. „Vor sechs bis drei Monaten waren diese Anleger noch passiv, aber die Bond-Alternativen nehmen auch mit Zinssenkungen wieder ab, sodass Immobilien im Anlagevergleich wieder attraktiver erscheinen. Allen voran die beiden Asset-Klassen Wohnen und Logistik – Beds and Sheds.“ Auch Nicolai Soltau, Direktor und Head of Fund Management Logistics Europe bei Patrizia, beobachtet, dass das Core-Kapital zurückkommt: „Das Interesse für Core-Investments war über längere Zeit verhalten, inzwischen nehmen wir aber wieder mehr Interesse an dieser Risikoklasse wahr“, so Soltau.
Im vergangenen Sommer wurde zudem von Immobiliendienstleistern viel über ausländische Käufer am Markt gesprochen. Auch LIP Invest berichtet davon, satte 75 Prozent des Marktes würden derzeit durch ausländische Käufer belegt. „Es gibt momentan sehr viel ausländisches Geld am Markt. Das ist neben der allgemeinen Zinsentwicklung ein wichtiger Faktor, weshalb wir für Ende des Jahres 2024 bereits wieder mit sinkenden Renditen rechnen“, so Natalie Weber, Head of Fund Management und Prokuristin bei LIP Invest. Aktuell liege die Bruttoanfangsrendite für deutsche Logistikimmobilien im Neubausegment (nicht älter als zehn Jahre) zwischen 4,85 und 5,2 Prozent. Für 2025 erwartet LIP Invest eine Senkung nicht unter vier Prozent. „Zudem haben Projektentwickler wieder vermehrt begonnen zu bauen, auch spekulativ. Daher glauben wir, dass aktuell ein günstiger Zeitpunkt ist, um in den Markt einzusteigen“, so Weber. Nicolai Soltau schätzt die Bandbreite der Verkehrswerte für qualitativ hochwertige deutsche Logistikimmobilien bei zwischen dem 18,5- und 20,5-Fachen, abhängig von der konkreten Lage der Objekte. Zum Vergleich: In der Corona-Pandemie waren Faktoren vom 30-Fachen und darüber erreicht worden.
Steigenden Wettbewerb durch ausländische Käufer fürchtet LIP Invest nicht, da man sich überwiegend in Objektwerten zwischen zehn und 40 Millionen Euro bewege. Ausländische Käufer investierten meist in Großprojekte, so LIP Invest. Nicolai Soltau sagt dazu: „Ausländische Investoren verfolgen am Markt meist die höherrentierlichen Anlagestrategien und streben generell zweistellige Total Returns an, also eine IRR von zehn oder fünfzehn Prozent.“ Dabei handele es sich oftmals um Objekte mit einem höheren Investitionsanteil in die Bestands- und Expansionsflächen, um Werte zu schaffen. „Investoren setzen hier darauf, dass Flächen weiterentwickelt werden können. Sie nehmen bewusst ein Entwicklungsrisiko. Das ist dann eher Core plus mit einem Value-add-Ansatz“, konstatiert Soltau von Patrizia.
Es dauere inzwischen länger, um Objekte zu vermieten, berichten Soltau und auch Daun übereinstimmend. „Durch die Rezession sehen wir, dass jede Nachvermietung deutlich länger dauert“, sagt zum Beispiel Jan Philipp Daun. Langfristig werde aber auch der in den vergangenen zwei Jahren lahmende E-Commerce-Trend wieder anziehen, erwartet er, auch weil wichtige Anbieter in Zukunft auf Same-Day-Delivery umstellen wollten. Entscheidend für die Rendite-Aussichten sei eine sehr gute Lage, betont Daun. Zudem stellten Investoren sowie Mieter auch immer höhere Anforderungen an ESG. „Eine Wärmepumpe wie auch eine Photovoltaikanlage sind mittlerweile Standard. Wenn Sie das nicht haben, ist es kein Core“, berichtet Daun. Über die verstärkten Nachhaltigkeitsberichtspflichten (Stichwort: Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) sei das Thema ESG auch bei Mietern angekommen. Allerdings übt Daun an der Wärmepumpe als Allheilmittel auch Kritik: „Früher hatten wir im Kommissionierungsbereich Gasdunkelstrahler, die dafür gesorgt haben, dass es dort warm ist, wo Menschen arbeiten. Heute heizt die Wärmepumpe durch den Luftaustausch die ganze Halle, auch die Regale. Die Wärmepumpe bringt für Mieter viel höhere Heizkosten mit sich, ganz zu schweigen vom Energieverbrauch.“ Ob das Thema Wärmepumpe sich unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten langfristig halten könne, bleibe daher abzuwarten, so Daun. Was bleiben wird, unabhängig von der Konjunktur, ist die vielerorts hohe Flächenknappheit, denn auf der grünen Wiese werde kaum noch gebaut. „Greenfield-Entwicklungen sind vorbei“, resümiert Daun.
Autoren: Daniela EnglertSchlagworte: Immobilien | Logistik
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