„Viel schiefgehen darf da nach vorne schauend nicht!“
Nach dem globalen Börsenbeben von Anfang August steigt die Nervosität der Anleger. Grund genug, die Bewertungen von Aktien zu hinterfragen. Hier äußert sich Bert Flossbach, Gründer der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, im Interview.
Herr Dr. Flossbach, sind US- und EU-Aktien derzeit im langfristigen Vergleich teuer?
Bert Flossbach: Gemessen an den Bewertungen der großen Indizes sind Aktien – historisch betrachtet – derzeit überdurchschnittlich teuer; das gilt im Besonderen für die USA, nehmen wir beispielsweise den S&P 500 als Referenz. Das liegt aber nicht zuletzt an den Aktien der großen Tech-Konzerne, die den Index in der jüngeren Vergangenheit deutlich angetrieben haben. Schaut man dagegen auf die gleichgewichtete Indexvariante als Referenz, dann relativieren sich die Bewertungen – zumindest ein Stück weit.
Wie unterschieden sich Large Caps und Blue Chips in der aktuellen Bewertung?
Nimmt man etwa die Magnificent Seven als Maßstab für Large Caps, dann reflektieren deren Bewertungen mitunter sehr hohe Erwartungen an die künftige Ertragsentwicklung. Das sieht bei vielen Blue Chips etwas anders aus.
Ist die Bewertung gerechtfertigt?
Das hängt vom jeweiligen Fall ab. Und vor allem: Das wird die Zukunft zeigen. Bei einigen Tech-Aktien muss man sicherlich konstatieren: Viel schiefgehen darf da nach vorne schauend nicht!
Sehen Sie eine Überhitzung – insbesondere in den USA?
Nein, auch wenn die Bewertungen im historischen Kontext nicht mehr günstig sind. Von den Exzessen zur Jahrtausendwende, die dieser Tage häufig als Vergleich bemüht werden, sind die aktuellen Niveaus noch ein gutes Stück entfernt.
Was raten Sie institutionellen Investoren mit Aktien-Exposure in den USA und Europa?
Weniger auf die Gewichtung von Regionen zu achten, sondern vielmehr auf die einzelnen Unternehmen – deren Qualität und Bewertung und damit letztlich das Chance-Risiko-Profil eines jeden Unternehmens. Bei uns im Hause ergeben sich regionale Schwerpunkte eher zufällig aus der Auswahl der einzelnen Unternehmen – und nicht umgekehrt. Insofern ist die Frage, ob Markt X derzeit günstig oder teuer gegenüber Markt Y erscheint, keine, die uns schlaflose Nächte bereitet.
Generell ist es so, dass wir uns derzeit mit größeren Zukäufen zurückhalten. Das deutliche Kursplus der vergangenen Monate, noch dazu im derzeitigen Marktumfeld, muss erst einmal verdaut werden. Deutlichere Rücksetzer sind unseres Erachtens nicht ausgeschlossen, wenngleich wir keine generelle Trendwende am Aktienmarkt erwarten.
Über den Interviewten: Dr. Bert Flossbach gründete 1998 Flossbach von Storch und ist seitdem Vorstand. Er verantwortet die Bereiche Research sowie Investment Management. Flossbach von Storch ist einer der großen unabhängigen Vermögensverwalter in Europa. Das Unternehmen mit Sitz in Köln betreut mit mehr als 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über 70 Milliarden Euro.
Die Fragen stellte Tobias Bürger.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Aktien
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