So transparent war ein Stiftungsvorhaben noch nie
Drei Rechtsanwälte wollen eine Stiftung gründen. Bei der Gestaltung des Stiftungsgeschäfts und der Satzung orientieren sie sich am neuen Stiftungsrecht. Pikant: Den Anerkennungsprozess mit 16 Behörden machen sie im Internet öffentlich und zeigen, wie man dort auf ihre ungewöhnlichen Pläne reagiert.
In der deutschen Stiftungsszene blickt man in diesem Jahr mit großem Interesse auf den 1. Juli. An dem Tag tritt das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts in Kraft. Und die Erwartungen sind hoch, dass nun vieles einfacher wird. Denn nach der bisherigen Rechtslage finden sich die gesetzlichen Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in 16 unterschiedlich ausgeprägten Landesstiftungsgesetzen. Das BGB enthält gerade einmal neun Paragraphen (80 bis 88) über Stiftungen. Sie werden durch entsprechende Anwendung von einigen Regelungen des BGB-Vereinsrechts ergänzt. Durch die Neufassung der genannten Paragraphen wird das Stiftungszivilrecht nun abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt – in 36 Paragraphen.
Das Stiftungsrecht entwickelt sich also fort. Aber da geht noch mehr, wie eine neue Initiative der Rechtsanwälte Dr. Christoph Mecking, Dr. Erich Theodor Barzen und Dr. Stefan Fritz zeigt. Sie wollen eine Stiftung namens Fundatio (Eigenschreibweise FUNDATIO, lateinisch für „Stiftung“) ins Leben rufen und sich dabei am neuen Stiftungsrecht orientieren. Das Besondere: Die Stiftung soll bereits „durch ihre Errichtung zur Klärung vieler Zweifelsfragen im Stiftungswesen“ beitragen. In ihrer Errichtung sehen die drei „die Chance, Klärungen herbeizuführen, die der Rechtssicherheit und damit auch der Rechtsstaatlichkeit dienen“. Dieses Ziel sei nicht durch Diskussionen in der stiftungsrechtlichen Literatur zu erreichen, sondern nur durch das Herbeiführen behördlicher und – falls notwendig auch – gerichtlicher Entscheidungen, heißt es auf der Internetseite von Fundatio.
Die Stiftungsgründer sind Rechtsanwälte und Praktiker. Dr. Stefan Fritz ist seit 2016 einer der beiden Geschäftsführer im Stiftungszentrum der Erzdiözese München und Freising. Dr. Erich Theodor Barzen ist für die Prüfungs- und Beratungsgesellschaften Solidaris in München tätig. Dr. Christoph Mecking wiederum betreibt eine eigene Kanzlei in Berlin und ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Stiftungsberatung. Ihre Fundatio ist zunächst als Verbrauchsstiftung mit einer Lebensdauer von zehn Jahren konzipiert. Sie soll im Laufe einer Dekade mit insgesamt 10.000 Euro ausgestattet werden.
Fragen im Anerkennungsverfahren werden öffentlich
In einem ersten Schritt haben die drei das sogenannte „Stiftungsgeschäft“ entworfen. Das ist ein Dokument, aus dem unter anderem die Personalien der Gründer und die von ihnen verbindlich versprochenen finanziellen Zuwendungen hervorgehen. Daneben haben sie eine Satzung für Fundatio entworfen und zusammen mit einer Begründung ihres Vorhabens zur Vorprüfung in allen 16 Bundesländern bei den zuständigen Behörden eingereicht.
Dabei soll zunächst geklärt werden, ob die Verbrauchsstiftung in dem jeweiligen Bundesland „anerkennungsfähig“ ist oder nicht – und welche Einwände die Behörden in Detailfragen vorbringen. Am Ende des Prozesses soll die Stiftung schließlich in einem Land errichtet werden – und anschließend „mit der Zeit gehen“: Die Stiftungsgründer messen den Vorschriften zu Änderungen von Satzung und Status – das betrifft die in der Praxis oftmals schwer durchzusetzende Zulegung, Zusammenlegung und Auflösung von Stiftungen – besondere Bedeutung bei.
Deshalb haben sie eine Satzung entwickelt, die verschiedene Rechtsfragen, die bisher ungeklärt sind, adressiert. Ziehen die Behörden mit? „Wir haben die verschiedenen Behörden angeschrieben, um zu sehen, welcher Standort für unser Stiftungsvorhaben der geeignetste ist“, bringt Mecking die Pläne auf den Punkt. „Wie der Prozess ausgeht, können wir jetzt noch gar nicht sagen.“
Obwohl die Stiftung noch nicht existiert, gibt es für sie bereits eine Website mit ausführlichen Informationen. Im Netz berichten die Rechtsanwälte und angehenden Stiftungsgründer über den Stand des Anerkennungsprozesses und – das dürfte für Beobachter besonders interessant werden – sie veröffentlichen die Reaktion und Stellungnahmen der Behörden. So erfährt die Öffentlichkeit auch, welche Einwände der Amtsschimmel dagegen erhebt. Das Bild, das sich dabei ergibt, ist ungefähr so bunt wie das bislang geltende Stiftungsrecht.
Wie der Stand vom 10. Mai 2023 zeigt, erheben aktuell sechs Behörden beispielsweise einen Einwand gegen die angeblich „unzureichende Vermögensausstattung“ der geplanten Stiftung, fünf gegen die „unzulässige Sitzwahl“ und vier gegen den „fehlenden Errichtungswillen“. Einige Absender sehen die Pläne also kritisch – und machen das an unterschiedlichen Punkten fest. Barzen, Mecking und Fritz haben das vermutlich geahnt, als sie ihre Pläne im April der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Denn das Dreiergespann hält Ausgestaltungen von Stiftungen für zulässig, „die deutlich flexibler und dynamischer sind als derzeit üblich“. Was er sich darunter vorstellt, erläutert Christoph Mecking.
Im Gespräch mit unserer Redaktion richtet er den Blick aber zunächst auf den Status quo: „In vielen Kernfragen im Stiftungsrecht gibt es bislang keine einheitliche Auffassung. Und jetzt haben wir die Möglichkeit, durch transparente Behörden- oder eben durch Gerichtsentscheidungen, bestimmte Dinge klären zu lassen, sagt er. „Mit der Stiftungsrechtsreform haben wir eine einmalige Chance, einheitliche Verhältnisse zu befördern. Aber man sieht jetzt schon, dass die Landesstiftungsgesetze, die die Aufsicht bestimmen und derzeit neu ergehen, sehr unterschiedlich ausfallen.“
Dann kommt Mecking auf den „Behördenbrauch im Anerkennungsverfahren“ zu sprechen: In der Regel orientieren sich die Stiftungsbehörden im Anerkennungsverfahren an ihren Mustersatzungen und an bestimmten Vorgaben, die sie sich selber gegeben haben, die aber nicht unbedingt im Gesetz begründet sind, wie Stiftungsrechtler Mecking erläutert. „Mit unserer Initiative wollen wir das einfach mal abklopfen“, sagt er. Der Prozess des Abklopfens begann vor ein paar Wochen. Inzwischen sind die ersten Rückmeldungen der Behörden eingetroffen. Was Mecking und seine Mitstreiter darin zwischen den Zeilen lesen, ist bemerkenswert.
Er konstatiert, die Behörden seien in keinem Fall in die Satzungsprüfung eingedrungen. Stattdessen hätten sie „Totschlagargumente“ genannt, stellt der Rechtsanwalt fest. „Warum gerade bei uns?“, fragt manche Behörde und moniert etwa, dass keiner der Stifter in ihrer Region wohne und der Stiftungszweck auch nicht zwingend in dem jeweiligen Bundesland verfolgt werden müsse. „Die Behörden sagen,“, so Mecking, „es gebe keinen Anknüpfungspunkt für ihre Zuständigkeit. Und deswegen: ‚Nicht bei uns!‘“ Doch das sei ein Argument, „das keinen Niederschlag im Gesetz findet“, so der Jurist. Hier heißt es ganz klar: Der Stifter gibt der Stiftung eine Satzung mit Bestimmungen über den Sitz. Das entspreche auch der grundrechtlich geschützten Stifterfreiheit.
Eine andere Aussage, die in der Diskussion mit den regionalen Stiftungswächtern häufiger auftaucht, betrifft die Vermögensausstattung. Mecking: „Wir haben unserem Antrag einen Finanzierungsplan beigefügt, aus dem sich ergibt, dass man mit 1.000 Euro im Jahr den Stiftungszweck erfüllen kann. Doch manche Behörde sagt: ‚Das reicht uns nicht! 10.000 Euro insgesamt sind zu wenig.‘ Sie begründen diese Einschätzung aber nicht“, kritisiert Mecking. Eine Stiftung müsse schließlich nicht zwingend operativ tätig sein, sondern könne mit ihrem Geld auch die Arbeit anderer fördern, indem sie zum Beispiel einen wissenschaftlichen Lehrstuhl, der sich mit Stiftungsrecht befasst, unterstützt. „500 Euro pro Jahr würden schon reichen, um den Stiftungszweck zu erfüllen“, sagt der Fachmann. „Auch das ist ein Punkt, den wir noch nicht befriedigend argumentiert bekommen haben.“ Die Argumente der Behörden müssten sich aus dem Gesetz ergeben. Doch das sei oft nicht der Fall.
Denkbar ist aber auch, dass eine Stiftungsbehörde das Konzept akzeptiert. Was dann? „Dann würden wir Fundatio wohl dort errichten“, kündigt Mecking an. „Wenn es allerdings nicht dazu kommt, besteht die Möglichkeit, dass wir in einem Land oder auch in mehreren Ländern die Anerkennung förmlich beantragen und bei Versagung das Land auf Erteilung der Anerkennung verklagen. Dass sich die drei Anwälte auf das Anerkennungsverfahren fokussieren, liegt auch daran, dass es praktisch keine Rechtsprechung gibt, die sich mit der Errichtung von Stiftungen befasst. Der Grund: „Stifter wollen ihr Vorhaben umsetzen und schlucken daher manche Kröte, die die Behörde ihnen vorlegen, nur damit das Stiftungsvorhaben verwirklicht wird“, stellt Mecking fest. Manche geben deshalb einen geplanten Standort auf und wechseln entnervt an einen anderen. Eine Auseinandersetzung findet also nicht statt. Und deswegen gibt es auch keine Klärung der Grundlagen.
„Für uns ist es nicht so wichtig, wann Fundatio errichtet wird. Uns kommt es darauf an, Fragestellungen zu klären“, sagt Mecking, „bei Errichtung und Tätigkeit der Stiftung.“ 16 Vorprüfungsverfahren laufen nun also parallel – den Behörden gegenüber spiele man dabei mit offenen Karten und sei nicht auf Konfrontation aus. „Wir erwarten und hoffen, dass die Behörden von unserer Initiative profitieren werden. Denn auch sie brauchen eine Grundlage für ihre Entscheidungen“, so Mecking.
Autoren: Tobias BürgerSchlagworte: Stiftungsrechtsreform | Verbrauchsstiftung
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